22.08.2020
Unterwegs im Zug
Die Reise zur Mitgliederversammlung SONART Samstag, 22.8.2020 Moods im Schiffbau Zürich
An der Bushaltestelle vor unserem Haus ist schon mal Endstation. Am Samstag fällt der erste Kurs aus. Schon wieder. Mein Velo suche ich vergeblich, es steht seit gestern beim Bahnhof. Also zu Fuss zum Velo und den nächsten Zug anpeilen.
Schon von Weitem höre ich einen Holzfäller, der offenbar auf Perron 1 seine Arbeit begonnen hat. Kettensägen erinnern mich an Heavy Metal und es ist mir zu früh dafür. Dass es sich in Wahrheit um einen Laubbläser handelt, mit dem ein Bahnhofunterhalter den sauberen Boden reinigt, ändert nichts am falschen Timing. Sowas wiederholt sich täglich. Dann kommt der Zug.
Die Bedienung im Wagonrestaurant ist genau so freundlich wie ich und ich beginne zu schreiben.
Der Traum von letzter Nacht verblasst langsam, das Bild von mir in einem mittelalterlichen Kloster im steilen Treppenaufgang, wo sich mitten im steinigen Weg ein tiefes dunkles Loch auftut. Als ich mich darüber beuge um etwas zu erkennen, erfasst mich ein modriger Luftzug begleitet von einem unheimlich dunkel brausenden Grollen aus der Tiefe. Im Traum richte ich mich auf und es ist weg. Zur Versicherung dieses Phänomens beuge ich mich wieder darüber, und das Grollen ist wieder da.
Ein starker Gewitterregen weckt mich und ich stehe auf.
Jetzt kommt mein Zug in Thun zum Stillstand. Das Wetter bessert sich, es wird heller und der Himmel bleibt grau. Wir rechnen mit erhöhter Luftfeuchtigkeit.
Ich geniesse es unterwegs zu sein und im Zug ungestört von A nach B zu reisen. Ganz anders sind einsame Fantasiereisen durch innere Landschaften, die von Ideen leben und angetrieben werden vom Gefühls Karussell. Ohne Anfang. Kein Ende. Ziellos.
In Bern umsteigen.
Das Bistro im Zug nach Romanshorn ist platsch voll. Ich finde meinen Sitzplatz zum Schreiben an einem runden Tischlein-deck-dich-nicht. Eine maskierte Frau verlangt direktiv von mir meinen Rucksack neben der Sitzbank vis-à-vis zu verschieben. Er gehört nicht mir und ich tu’s nicht. Die Maskierte zieht sich zurück.
Auf der Sitzbank nehmen zwei junge Männer Platz. Einer entfernt sich und kommt mit Kaffee im Pappbecher zurück. Die jungen Männer desinfizieren ihre Hände, kommentieren das Verhalten von anderen Passagieren, konsumieren ihr Getränk und maskieren sich wieder.
Draussen rauscht lautlos das Schweizer Mittelland an uns vorbei. Alles aufgeräumt, etwas leblos und überall Parkplätze. In letzter Zeit fällt auf, wie Hunderttausende in ihren polierten geleasten Autos orientierungslos übers Land fahren. Verstopfte Strassen und Wege.
Ich kann nicht Auto fahren und reise im Zug. Wenn ich könnte, würde ich unmaskiert Auto fahren, eingeschlossen im gestylten Stahlblech mit viel zu starkem Antrieb, tonnenschwer.
Im Zug sind spontane Begegnungen möglich. Unmaskiert. Ein gutes Gespräch holt mich her und wir sind da. Die Mimik eines Menschen ist einzigartig. Wie verbreitet sich spontanes Lächeln? Die Wirkung ist wunderschön.
Ankunft in Zürich HB.